„Wege entstehen dadurch, dass man die radelt.“ – Das Abenteuer beginnt 2.0
Mein letztes Sabbatical startete ich mit dem Zitat von Franz Kafka „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ Dies muss nun ein wenig abgewandelt werden, denn heute bin ich nicht mehr Backpacker sondern Radreisende. Aber wie kam es dazu?
Vier Jahre sind vergangen, seit ich aus Südamerika zurückgekommen bin. Und für mich stand fest, nach dem Sabbatical ist vor dem Sabbatical. Also arbeitete ich auch zügig darauf hin. Doch die Welt blieb nicht die alte. Heute, 2021, blicken wir in eine doch sehr veränderte neue Welt. COVID 19 kam quasi aus dem Nichts und verwandelte die Welt. Alles lag still. Lockdown I, Lockerungen, Lockdown II und Lockdown III. Nichts ist, wie es einmal war. Familientreffen, Freunde, das ganze soziale Leben steht Kopf. Und es gibt so viele Bereiche, die wirklich schlimm von der Corona-Krise betroffen sind. Konzerte, Festivals, Kulturveranstaltungen jeglicher Art sind abgesagt, seit nunmehr eineinhalb Jahren. Und Tourismus? Reisen? Daran ist nicht zu denken. Zu Hause bleiben ist das neue Reisen. Schöne neue Welt!
Und doch habe ich Hoffnung, dass die Welt diesen fiesen Virus früher oder später bezwingen wird. Durch die Impfungen gehen wir immerhin einen großen Schritt Richtung Normalität. Und auch hier ist die Welt gespalten. Impfen? ja oder nein? Ich persönlich bin ein großer Impf-Fan und heilfroh, dass ich noch vor Reisebeginn vollständig geimpft werden konnte. So kehrt doch ein wenig mehr Gelassenheit in mein Leben zurück.
Nun ja, mein Sabbatical stand also kurz vor der Tür als Corona Einzug erhielt. Was tun? Verschieben? Nein! Verschieben kam für mich nicht in Frage. Wer weiß, was in einem Jahr ist. Wenn ich etwas aus dieser Corona-Krise gelernt habe, dann, dass man niemals Dinge aufschieben sollte. Lebe den Tag! Lebe den Moment! Lebe, als könnte jeder Tag der letzte sein. Alte Floskel, aber dennoch sehr wahr.
Gut, mein ursprünglicher Plan war es, über Land bis nach Asien tingeln. Nur konnte das nicht vorbereitet werden. Eigentlich ist das Jahr vor dem Sabbatical sehr spannend, da man so viel vorbereiten kann. Nicht dieses Mal. Hinzu kam eine Schulter OP, die mich quasi nicht mehr gescheit hat Sport treiben lassen. Boxen und Langhanteltraining – Adiós. Schade. Aber faul auf der Haut rumliegen, liegt mir nicht so gut, also begann ich Rad zu fahren. Und fand immer mehr gefallen daran. Inspiriert durch den Radreisefilm „Besser Welt als nie“ begannen meine Gedanken zu kreisen. Warum nicht mit dem Fahrrad fahren? Nein, dass ist zu viel, zu krass und überhaupt, die Allerjüngste bin ich ja nun auch nicht mehr. Aber es ist Corona-konform! Und ich kann es planen, trainieren und mich darauf vorbereiten. Ca. 5 Monate lang habe ich diese Gedanken in mir reifen lassen, bis ich Ende letzten Jahres ein neues Fahrrad gekauft habe. Zack. Entscheidung getroffen. Das nächste Sabbatical starte ich auf dem Rad.
Die letzten Monate trainierte ich fleißig und habe mich mit sämtlichen Radreisematerial ausgestattet. Ja, da kommt die Deutsche in mir zum Vorschein. Man muss ja gut vorbereitet sein. Auch wenn ich weiß, dass man dies niemals sein kann. Egal, ich hatte Spaß daran, mich auf mein neues Abenteuer vorzubereiten und die ganzen Corona Lockdowns hat es erträglicher gemacht.
Und auf einmal ist es Juli 2021. Das Sabbatical startet JETZT. So langsam bekomme ich etwas Angst, oder sagen wir Respekt. Habe ich mir das wirklich gut überlegt? JA. Es ist zumindest einen Versuch wert. Und wenn ich nur ein paar Tage radel, ich habe es dann immerhin versucht. Jawoll.
Kommen wir zu meiner Ausrüstung. Ich habe natürlich viel zu viel. Mein erstes Packen ergab 32kg. Mist. Da muss noch etwas raus. Aber viel kann ich nicht mehr auspacken. Einfach alles ist wichtig. Immerhin schaffe ich es am Ende auf 28kg. Eine detaillierte Liste werde ich in einem Extra Eintrag vorstellen.
Bevor die große Tour startet, gibt es noch ein kleines Bye-Bye- und Geburtstagstreffen mit ein paar meiner lieben Freunde am Elbstrand. Hach, ist das schön.
Und ja, auf den Bildern ist ein lebensgroßer David Hasselhoff zu sehen. Ich mag den Hoff. Da gibt es keine Diskussion. Der kleine Hoff wird mich dann auch auf meiner Reise begleiten. Meine Freunde kennen mich eben sehr gut. Daneben habe ich noch einen unglaublichen Gutschein erhalten, den ich für gute Zwecke oder Projekte spenden kann. Genau wie es mir gewünscht habe. Vielleicht kann ich hier und dort durch ein paar Spenden etwas Gutes bewirken. Ich lasse es euch natürlich wissen. Vielen Dank!
Tag 1: Von Hamburg nach Neu Darchau (96km)
Ja und da ist er, der Tag der Abreise. Natürlich regnet es vormittags. Also kann ich mir Zeit lassen beim packen und frühstücken. Gegen 12:30Uhr ist’s dann aber doch soweit und ich schwinge mich aufs Rad. Alter Schwede. Ist das schwer. Und wackelig. Damit komme ich ganz sicher nicht weit, denke ich mir, und versuche Geschwindigkeit aufzunehmen. Die ersten Kilometer fühle ich mich wie ein Kind, dass eben Fahrrad fahren lernt. Ist das wirklich eine gute Idee? Aber mit jedem weiteren Kilometer bekomme ich mehr Sicherheit. Wenn das Rad einmal rollt, dann gehts. Darf eben nichts Unvorhergesehenes passieren. Jedenfalls noch nicht.
Entlang des Elberadwegs fahre ich Richtung Geesthacht, hier wechsle ich die Uferseiten und fahre auf der südlichen Seite weiter. Es ist jetzt perfektes Wetter. Bewölkt, nicht zu warm und kein Wind. Und bergauf muss ich auch noch nicht fahren. Der erste Stopp liegt in Neu Darchau. Hier wartet auch schon Merle auf ein entspanntes Gespräch bei einem alkoholfreiem Radler. Noch ist jeder Handgriff ungeübt. Da muss erst noch Routine hineinkommen. Gegen 23Uhr fallen mir dann auch gleich die Augen zu. Verständlich nach 96km.
Tag 2: Von Neu Darchau bis Bälow (111km)
Ganz entspannt schlafe ich aus und frühstücke. Erst gegen 10Uhr morgens starte ich den zweiten Tag. Dieser Tag führt mich entlang der Elbe auf einem Deich. Also tatsächlich fast die gesamte Strecke. Die Elbe hat Hochwasser und tritt teilweise über das Ufer. Zum Glück gibt es viele Deiche. Die Landschaft ist wunderschön. Und so ist es ein entspannter und sehr schöner Radtag. Hier und da komme ich mit anderen Radlern ins Gespräch. Noch vor Wittenberge passiere ich einen Zeltplatz. Noch ist es zu früh, um zu stoppen. Also radle ich weiter. Aber der nächste Zeltplatz ist letztendlich zu weit entfernt. Warmshower Angebote gibt es hier auch nicht. Warmshower ist eine App, wo Radfahrer anderen Radfahrern eine Unterkunft und eine warme Dusche anbieten. Im Prinzip wie Copuchsurfing, nur für Radler. Auch schaue ich, ob ich eventuell in einem Gästezimmer unterkomme, aber nein, entweder ist niemand zu Hause oder es wird nicht nur für ein Nacht vermietet. Ok, dann soll ich tatsächlich heute schon wild campen. Wirklich? So früh habe ich damit noch nicht gerechnet. Aber irgendwann ist sowieso das erste Mal, warum also nicht heute?
So einfach ist das gar nicht einen Platz zu finden, da man ja unentdeckt bleiben möchte. Neben dem Radweg werde ich dann hinter ein paar Bäumen fündig. Tatsächlich kann ich auch nicht mehr weiter fahren, da nach 110km meine Beine sehr müde sind. Also baue ich mein Zelt auf und esse erst einmal etwas, als ich Bambi entdecke. Ein hübsches kleines Reh hüpft in gar nicht so weiter Entfernung vor mir her und grast gemütlich. Oh wie toll!!! Das ist Natur.
Ein wenig besorgt, ob mich eventuell noch jemand entdeckt und wegschickt, gehe ich schon kurz nach 21Uhr schlafen. Die Tiere beunruhigen mich gar nicht so sehr. Werden schon keine Wildschweine oder Wölfe unterwegs sein. Die Geräuschkulisse ist allerdings beachtlich. Man hört sämtliche Vögel, Frösche und immer mal wieder knistert es in der Nähe des Zeltes. Aber all das kann mich nicht vom schlafen abhalten.
Tag 3: Von Bälow bis Magdeburg (117km)
Ich wache schon 05:30Uhr auf. Niemand hat mich gestört oder weggeschickt. Glück gehabt. Damit das nicht noch passiert, packe ich meine sieben Sachen und fahre gegen 07:00 Uhr los. Und was soll ich sagen. Morgens zu radeln scheint am schönsten zu sein. Überall gibt es Tiere zu sehen. So viele Rehe laufen mir vor die Augen, gefolgt von Hasen, großen Hasen, ein paar Katzen und tatsächlich erblicke ich auch einen Fuchs. Einen FUCHS. Verrückt. Mit so einer Tiervielfalt habee ich gar nicht gerechnet. Aber es freut mich umso mehr. Nach einem leckeren Frühstück, Banane mit Haferflockenbrei und Kaffee, starte ich die nächsten Kilometer. Viele Kilometer verlaufen entlang der Straße. Da war der Weg von gestern interessanter. Die letzten Kilometer ziehen sich immer ziemlich. Und da ich schon am Samstag in Delitzsch sein möchte, muss ich mich ranhalten. Heute Nacht geht es wieder auf einen Zeltplatz. Ich muss duschen. Und zwar dringend. Am Rand von Magdeburg finde ich einen netten Zeltplatz und mache es mir nach 117km im Zelt gemütlich.
Tag 4: Von Magdeburg bis Delitzsch (129km)
Der längste Tag der ersten Etappe steht bevor. Ich möchte es gern bis nach Delitzsch schaffen. So kurz vor der Heimat möchte ich dann doch nicht noch einmal zelten. Aber ca. 130km sind verdammt viel. Also radle ich los. Nach 35km gibt es nun Gommern Frühstück. Langsam ist es auch schon ziemlich heiß. Die Sonne scheint und es ist keine Wolke zu sehen. Aber es weht ein frisches Lüftchen. Natürlich von vorn. Meine Beine sind von den vorherigen Tagen auch schon recht müde und mein Allerwertester und die Handgelenke schmerzen auch etwas. All dies führt dazu, dass ich nur langsam vorankomme. Kilometer für Kilometer fahre ich vorwärts, gönne mir in Dessau eine „Fuze“ Pause. Wenn man sehr viel und lange Sport macht, wie radeln, wandern oder laufen, dann wird die Sehnsucht nach einem eiskalten und süßen Getränk immer größer. Der Moment, wenn eine Tankstelle oder ein Supermarkt auftaucht und man sich einen einkalten Eistee (beispeilsweise Fuze Tee) gönnt, ist einfach himmlisch. Dieses Erlebnis hatte ich einst, als ich mit Merle an die Nordsee gelaufen bin. Seitdem wird dieses Phänomen auch Fuze-Effekt genannt. Die erste „Fuze“ trinke ich also in Dessau. Die zweite in Wolfen. In Wolfen angekommen, sind es noch immer 25km und eigentlich mag ich gar nicht mehr weiter. Aber so kurz vor Delitzsch macht ein Stopp auch keinen Sinn mehr. Zähne zusammenbeißen und durch. Gegen 19:30Uhr, nach 8 Stunden reiner Fahrzeit, komme ich in meiner Heimatstadt an und bin heilfroh, meine Eltern begrüßen zu können. Jetzt ist definitiv eine Erholungsphase nötig.
Tag 5 und 6: Erholungstage in Delitzsch
Nach dem straffen Programm, ist nun Erholung angesagt. Schließlich müssen die Batterien wieder aufgeladen werden. Zwei Tage besuche ich meine lieben Eltern und entspanne einfach. Danach heißt es Abschied nehmen und auf gehts Richtung Dresden.
Soweit der erste Bericht. Bis bald
Besitos
Mein Video Reisetagebuch findet ihr hier: