Vom Titicacasee zur Death Road
Als ich sehr früh morgens in Puno ankam, musste ich feststellen, dass keine Busse nach Copacabana fahren. Ja, Copacabana. Das ist ein Strand in Rio de Janeiro, aber auch eine Stadt in Bolivien. Leider streikte irgendwer und somit war keine Busfahrt möglich. Zum Glück gab es auch Boote. Fünf Stunden verbrachte ich nun auf einem Boot, was mir zugegebener Maßen besser gefiel, als die Bus-Variante. Nur die Anlegestelle war sonderbar. Sie war nämlich mitten im Nirgendwo, ohne Steg oder sonstige Anlegestellen. Kleine Ruderboote holten uns Passagiere von Bord und brachten uns an Land.
Vor dort aus musste man zur Grenze laufen oder mit einen Tuktuk fahren. Ich entschied mich für den Tuktuk, denn ich hatte keine Lust so weit mit meinem schweren Rucksack zu laufen. Dann meldet man sich auf peruanischer Seite ab, läuft über die Grenze und meldet sich auf bolivianischer Grenze wieder an. Es wirkte alles etwas eigenartig, aber es funktionierte. Anschließend fuhr man in einem Collectivo nach Copacabana. Ich checkte in ein Hotel ein. Ich wollte entspannen und mich mal auskurieren. Und außerdem ist es in Bolivien sehr günstig. Ich verbrachte die nächsten eineinhalb Tage im Bett, schaute Filme und schlief.
Nun konnte ich auch den Titicacasee näher erkunden. Der See hat schon etwas Erstaunliches. Er ist der größte See in solch einer Höhenlage. Ich befand mich auf 3800m über dem Meeresspiegel. Ein sehr schönes Ausflugsziel ist die Isla del Sol, eine Insel auf der es keine Fahrzeuge gibt, also erkundigte ich die Insel zu Fuß. Im Norden befinden sich gut erhaltene Inka-Ruinen.
Auf einem ca. acht Kilometer langem Wanderweg kann man die Insel Richtung Süden erforschen. Auf dem Weg traf ich Verena aus Deutschland, die ich bereits in Arequipa und Cusco kennenlernte. Generell trifft man häufig die gleichen Backpacker. Schließlich befinden sich alle auf dem Gringo-Weg in Richtung Feuerland. Die Verhältnisse auf der Insel sind sehr einfach, dafür ist die Aussicht herzallerliebst. Der Titicacasee erinnerte mich eher an ein Meer als an ein See und stillte somit meine Meeressehnsucht. Nur zum Baden ist es dann doch etwas frisch. Nachdem wir den netten Wanderweg zurückgelegt haben, verblieben wir den restlichen Nachtmittag in einem Restaurant. Nach einem traumhaften Sonnenuntergang suchten Verena und ich uns eine günstige Unterkunft. Nun ja, zum Schlafen reichte es. Am nächsten Morgen ging es wieder mit dem Boot nach Copacabana.
Bevor ich schließlich mit dem Bus nach La Paz fuhr, wollte ich noch die schwimmenden Inseln sehen. Kurz vor der Küste gibt es ein paar schwimmende Inseln und einige Fischzuchtstationen. Für Touristen ist das ein ganz netter Ausflug, den man mal gemacht haben kann.
Die Busfahrt war nun ein wenig spektakulärer. Copacabana und La Paz liegen ungefähr 150km voneinander entfernt, doch die Busfahrt dauerte über vier Stunden. Da kann man sich vorstellen, wie die Straßen sind. Aber das Witzigste war, dass es auf einmal hieß: Alles aussteigen, wir überqueren den Titicacasee auf einer Fähre. Aha. Also raus aus dem Bus und rauf aufs Boot. Und die Reisebusse sowie Auto wurden auf Fähren verfrachtet. Die sahen ganz schön spannend aus, aber auch das funktionierte. Wie immer. Irgendwie funktioniert es eben.
La Paz ist eine der höchst gelegenen Städte der Welt. Die höchsten Viertel liegen über 4000m. Die Luft ist also entsprechend dünn. Mittlerweile war ich ganz gut an die Höhenluft gewöhnt. Dennoch kam ich jedes Mal ziemlich schnell außer Atem. Vor allem, wenn man bergauf läuft. Und Berge hat La Paz genügend. In Bolivien läuft auch alles viel langsamer. Mal hektisch von A nach B hetzten gibt es in Bolivien nicht. Dass Bolivien zu den ärmeren Ländern in Südamerika gehört, spürt man vor allem in La Paz ziemlich deutlich. Überall ist es dreckig, chaotisch und laut. Und dennoch hat La Paz einen ganz eigenen Charme. Viele Märkte, kleine Gassen, Stromkabel, die überall herumhängen, chaotischer Verkehr und eine moderne Gondelbahn, die so gar nicht in das restliche Bild passt.
Das für mich Spannente in der Gegend um La Paz ist die Death Road (Camino de la muerte oder auch Yungas Straße) Die Straße führt von La Paz nach Coroico, ist ungefähr 63km lang (die Strecke, die man mit dem Mountainbike zurücklegt) und führt von 4700m auf 1200m Höhe über dem Meeresspiegel. Sie wurde 1930 erbaut und gilt als gefährlichste Straße der Welt, da sie an gefährlichen Abhängen entlangführt, die größtenteils ohne Leitplanken ausgestattet sind. An der tiefsten Stelle, geht es 600m in die Tiefe. Viele tödliche Unfälle ereigneten sich auf dieser Straße, weshalb sie den Beinamen Death Road erhielt. 2006 wurde eine alternative und sichere Straße eröffnet. Somit ist auf der Todesstraße nur noch wenig Verkehr und somit für Mountainbiker interessant. Und das ist natürlich ein Erlebnis, das sich kaum ein Reisender entgehen lässt.
Auch ich hatte die Death Road schon länger auf der To-Do-Liste. Je näher das Ereignis rückte, umso mehr Respekt bekam ich davor. Schließlich war ich auf dem Jungle Treck mit dem Mountainbike ziemlich langsam. Und das war eine normale Straße, mit Leitplanken gesichert, ohne schwindelerregende Höhen, ohne Regen. Aber kneifen wollte ich nicht. Und wenn ich die Death Road runter gelaufen wäre. Als unsere kleine Gruppe (wir waren gerade einmal vier Personen) in La Paz losfuhr, sah das Wetter noch ganz nett aus. Auf 4700m wandelte sich das Bild: Nebel, Regen, Kälte. Na großartig.
Und die ersten 45 Minuten waren der absolute Hass. Es war saukalt und es regnete. Wir hatten keine wasserfeste Kleidung und ich trug nur meine Chucks. Ich dachte, in Chucks lässt es sich besser Mountainbike fahren, als in den dicken Wanderschuhen. Nun ja, innerhalb kürzester Zeit waren meine Füße komplett nass. Nach 45 Minuten machten wir eine Pause in einem Straßencafé. Wir spürten unsere Hände kaum noch und ich meine Füße ebenso wenig. Ich dachte mir nur: Das soll jetzt noch drei Stunden so weitergehen? Aber aufgeben ist auch hier keine Option. Da musste ich jetzt durch. Und als dann die eigentliche Death Road begann (die 45 Minuten zuvor waren noch asphaltierte Straße), waren die Schmerzen fast vergessen. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass es wärmer wurde oder dass die Aussicht so grandios war oder der Schotterweg alle Konzentration forderte oder ich mich einfach daran gewöhnte. Jedenfalls war es mit einmal absolut spannend, einzigartig und fesselnd.
Drei Stunden fuhren wir die gefährlichste Straße entlang, manchmal gesichert mit Leitplanken, manchmal schaute man einfach in den Abgrund. Wahnsinn. Ich würde es sofort noch einmal machen. Und ich muss sagen, dass die Fahrräder absolut top waren. Fühlte ich mich auf dem Jungle Treck noch recht unsicher auf dem Bike, war es dieses Mal ganz anders. Super Federung, dicke Reifen und alles in einem super Zustand. Damit konnte sogar ICH die Schotterpiste entlang fahren. Und wir waren auch eine langsame Gruppe. Niemand, der die Straße entlang sprintete. Aber bei den Wetterverhältnissen wäre das auch ziemlich dumm und lebensgefährlich gewesen. Als wir im warmen Tal ankamen, hörte es natürlich auf mit regnen und die Sonne kam hervor. Aber hey, wir können sagen: Wir sind die Death Road im Regen runter gefahren. Bei Sonnenschein kann ja jeder. 🙂 Die warme Dusche und das Mittagessen waren anschließend so notwendig. Kitty, eine witzige Chinesin aus den USA, beschrieb es im Nachhinein so: Wir hatten Spaß auf Niveau 2. Niveau 1 bedeutet, dass du direkt Spaß an der Sache hast. Niveau 3 bedeutet, dass du Spaß hast, aber es im Nachhinein bereust und Niveau 2 bedeutet, dass du in dem Moment die Sache hasst und kämpfen musst aber im Nachhinein stolz bist, dass du sie gemeistert hast. Zumindest die ersten 45 Minuten würde ich Niveau 2 zuordnen. Insgesamt war es ein unfassbares Erlebnis, was ich jedem nur empfehlen kann.
Viel mehr gibt es aus La Paz nicht zu berichten. Die Cablecar-Tour ist ganz interessant und zeigt ein vielfältiges Bild von der Regierungsstadt. Da ich mich entschied für sechs Tage in der Dschungel zu fahren, hatte ich keine weitere Zeit für Stadterkundungen. Aber ich hatte bisher schon recht viel gesehen, so dass ich mich auf den Weg nach Rurrenabaque machen konnte.
Besitos