Der Körper gewöhnt sich an die Anstrengung

2. So langsam gewöhnt sich der Körper an die Anstrengung

Tag 7: Delitzsch – Riesa (98km)

Ich radel also fröhlich aus Delitzsch weiter, lasse in Eilenburg noch eben meine Luft checken, das ist auch nötig, denn ein wenig Luft fehlt tatsächlich und schon ziemlich flott komme ich auch in Riesa an. Hier nutze ich die Warmshower Variante. Marco hat ein Plätzchen für mich auf der Couch reserviert. Nett plaudern wir über das Radreisen und er kann mir noch ein paar sinnvolle Tipps geben. Sehr nützlich diese Warmshower App. Kann ich also nur empfehlen. 

Tag 8: Riesa – Königstein (95km)

Bei perfektem Radelwetter fahre ich weiter den Elberadweg entlang. An Meißen vorbei nach Dresden. Hier mache ich einen kurzen Stopp und radel gemütlich durch die Innenstadt. Dresden ist einfach eine wunderschöne Stadt. Daran kann man sich nicht satt genug sehen. Aber noch ein paar Kilometer sind drin, also geht es ab ins Elbsandsteingebirge. In Königstein mache ich Stopp. Der nette Herr an der Rezeption sieht, dass ich durstig bin und schenkt mir kurzerhand ein Radler: „Hier, du siehst durstig aus. Hol erstmal Luft!“ Danke. Es beginnt zu regnen und ich muss mit dem Zeltaufbau etwas warten. In der Zwischenzeit lerne ich Andre kennen. Er ist aus Dänemark und radelt von Kopenhagen bis an den Gardasee, um dort mit seiner Freundin Urlaub zu verbringen. Kurzerhand entschließen wir uns zusammen bis nach Prag zu fahren. Der Regen lässt nach und das Zelt kann aufgebaut werden. Ziemlich früh fallen mir die Augen zu. Also so langsam gewöhnt sich mein Körper an die täglichen Strapazen. Die Schmerzen der ersten Tage lassen nach. Jedoch bin ich abends ziemlich geschafft von den ganzen Kilometern und schlafe immer recht früh ein.

Tag 9: Königstein – Roudnice nad Labem (103km)

Gemeinsam radeln wir los und haben auch ein ähnliches Tempo. Vielleicht muss Andre etwas langsamer fahren aber warten muss er jedenfalls nicht. Das Wetter ist nach wie vor großartig. Wir passieren die tschechische Grenze und machen eine großen Ritt Richtung Prag. Abends können wir unsere Zelte an einem Sportcamp aufschlagen. Es ist schon recht spät. Die meisten Restaurants haben bereits zu. Zum Glück gibt es noch einen Döner. Für mich heißt das Salat mit Pommes. Eine riesige Portion. Das kann ich nach den 103km auch gut gebrauchen. 

Tag 10: Roudnice nad Labem – Prag (58km)

Gemütlich starten wir in den Morgen, lassen die Elbe hinter uns und steuern auf die Domau zu. Doch plötzlich wird aus einem angenehmen Radweg ein Trampelpfad. Andre hat sichtlich Spaß an Off Road, ich eher weniger. Da sind mir Straßen doch angenehmer, mit all dem Gepäck. Und so fahren wir wieder zurück auf befestige Straßen und kommen auch ziemlich schnell auf einen hübschen Radweg, der nach Prag führt. Wir fahren an einigen chilligen Bars entlang und müssen natürlich auch einen kurzen Bier Stopp einlegen. Für mich gibt es alkoholfreies Radler. Davon gibts hier einige sehr leckere. Unter anderem mit Grapefruit-  oder Kirsch-Geschmack. In Prag angekommen, bin ich erst einmal von dem Straßenverkehr und den Menschenmassen überrascht. Das ist man zu Corona Zeiten gar nicht mehr gewohnt. Erster Stopp muss natürlich die Karlsbrücke sein, bevor ich mir eine Bleibe suche. 

Das großartige an dem gefundenen Hotel ist die Dachterrasse. Man hat einen wunderschönen Blick über die ganze Stadt und die Prager Burg. Schön wieder hier zu sein. Das letzte Mal war, glaube ich, 2009. Das ist also schon eine ganze Weile her. 

Tag 11: Prag

Ein Ruhe- und Wäschetag muss her. Meine gesamte Wäsche, und das ist nicht viel, muss gewaschen werden. Also suche ich einen Waschsalon. Am Nachmittag wird die Stadt erkundet. Ich laufe eine große Runde durch die Altstadt hinauf zur Burg und wieder zurück. Prag ist definitiv sehenswert. 

Tag 12: Prag – Zrubek (62km)

Im Regen startet der nächste Teil der Strecke. Nun ja, bisher habe ich sehr viel Glück mit dem Wetter, da darf es auch einmal regnen. Nicht umsonst habe ich die ganze Regenausrüstung. Nach ca. einer Stunde Fahrt wird der Regen auch deutlich weniger, dafür die Straßenverhältnisse umso schwieriger. Die vorgeschlagene Route geht entlang einer doch recht befahrenen Straße. Nicht zu schlimm, aber dennoch bin ich von den Radwegen bisher verwöhnt. Und als es endlich wieder ruhiger auf den Straßen zugeht, kommt eine Steigung. Und was für eine. Ca. 30 Minuten geht es stetig bergauf. Zwischen 7 und 10 Grad Steigung. Das habe ich so fix gar nicht erwartet. So wird es also in Österreich sein. Ich habe ordentlich zu kämpfen und nach 62km und über 600Höhenmetern tun mir ziemlich die Beine weh. Autsch. Daran muss ich mich erst gewöhnen. Kann man sich daran gewöhnen? Ich bin gespannt.

Tag 13: Zrubek – Veseli nad Luznici (98km)

An diesem Tag bin ich zumindest schon darauf eingestellt, dass Berge kommen. Also radel ich auch sehr früh los und peile mal 60km wie am Vortag an. Bereits gegen 13Uhr erreiche ich meinen ausgesuchten Ort und entscheide mich, noch weitere 30km zu fahren. Mittags kann die Radtour ja noch nicht vorbei sein. Aus den 30km werden dann knapp 40 und kurz vor 100km und mit erreichten 1100Höhenmetern erreiche ich einen schönen Campingplatz in der Nähe von Veseli Nad Luznici. An diesem Tag wechselten sich bergauf und bergab Phasen ziemlich gut ab, so dass ich nicht, wie am Vortag 30 Minuten stetig und straff bergauf fahren muss. Dennoch spüre ich die Kilometer in den Beinen. In dieser Nacht werde ich von starkem Regen und Wind geweckt. Es prasselt ordentlich gegen mein Zelt. Na hoffentlich ist es auch wirklich wasserdicht. Etwas unruhig wende ich mich dennoch in den Schlaf.

Tag 14: Veseli nad Luznici – Ceske Velenice (61km)

Den Morgen starte ich mit meinem entspannten Frühstück. Dank Google Übersetzer kann ich mich auch verständlich ausdrücken, was ich gern essen möchte. Es gibt Rührei und Brötchen mit einem Cappuccino. Ich nehme die Geschwindigkeit etwas raus bzw. reduziere die Kilometer, denn ich habe noch genügend Zeit, bis ich in Wien sein möchte. Also reichen ca. 60km am Tag. Dieser Tag ist landschaftlich bisher der Höhepunkt. Ich fahre an einem See nach dem anderen vorbei und das Ganze ohne Berge und ohne Wind. So liebe ich Fahrrad fahren. Herrlich. Und dann erreiche ich auch tatsächlich meine ersten 1000km. BÄM!

Und das schon nach 2 Wochen. Ich bin begeistert und freue mich auf weitere ca. 2500km. An der Grenze zu Österreich gönne ich mir ein Hotelzimmer, da meine Sachen doch etwas klamm sind uns auch eine Wäsche vertragen können. Außerdem ist es an der Zeit alle elektronischen Geräte aufzuladen. 

Tag 15: Ceske Velenice – Ruine Dobra (59km)

Da ich erst 12Uhr auschecken muss und heute keine weite Strecke zurücklegen muss, lasse ich mir sehr viel Zeit und fahre auch erst mittags los. Nach wenigen Hundert Meters passiere ich die Grenze zu Österreich. Das dritte Land auf meiner Reise. Ich hoffe, dass wir Freunde werden. Ich muss schon zugeben, dass ich vor Österreich auf jeden Fall Respekt habe. Schließlich gibt es doch sehr viele Berge hier. Aber dieser Tag verläuft harmlos und so erreiche ich am späten Nachmittag einen Zeltplatz an der Ruine Dobra. Ein wirklich sehr hübscher Zeltplatz, direkt an einem See. Abends beginnt es zu regnen und das soll auch am nächsten Tag nicht aufhören.

Tag 16: Ruine Dobra – Zwentendorf (74km)

Heute ist der 13. Radtag, auch wenn ich nicht adergläubig bin, an diesem Tag warten einige Überraschungen auf mich. Zunächst regnet es unaufhörlich. Also ziehe ich meine Regensachen über und fahre los. Schon recht früh des Weges, führt mich mein Navi in den Wald hinein. Das ist erst einmal nichts Besonderes, da ich schon öfter durch Waldwege gefahren bin. Bisher weiß mein Navi auch immer gut wohin die Reise gehen soll. Bei Regen scheint das Navi nicht ganz so einwandfrei zu funktionieren. Der Waldweg wird immer unübersichtlicher und geht natürlich bergab und bergauf. Ich muss laufen und schieben. Bei diesem matschigen und steinigem Untergrund kann ich nicht mehr radeln. Und plötzlich hört der Weg auf. Ich müsste tatsächlich ziemlich querfeldein und bergab durch meterhohes Gras laufen und wüsste dann noch immer nicht, ob ich richtig sei. Verdammt. Zu Fuß kann man das ja wagen, aber mit einem vollbeladenen Fahrrad geht das leider gar nicht.

Ich drehe wieder um, komme zu einer Kreuzung und der Weg, der vorgeschlagen wird, führt zu dem Dorf, aus dem ich komme. Wie bitte? Na großartig. Hat mir mein Navi einen kleinen Waldspaziergang verpasst. Gut, ohne Regen und ohne Rad wäre diese Wanderung vermutlich traumhaft schön. So ist es doch eher anstrengend, auch wenn ich die schöne Natur dennoch zu schätzen weiß. In den kommenden Stunden bleibe ich auf der Straße und folge keinen dubiosen Waldwegen mehr. Eine Überraschung reicht mir am Tag. Als mich mein Navi dann auf eine Schnellstraße führen möchte, fange ich tatsächlich an der Funktionalität zu zweifeln. Natürlich missachte auch ich diesen Hinweis und bleibe auf der Landstraße. Was für eine Fahrt. Und das ganze im Regen. Nein, es hört einfach nicht auf zu regnen. Langsam ist mir auch ziemlich kalt, so dass ich beschließe mir ein Gästezimmer zu nehmen, anstatt zelten zu gehen. Ich muss mich dringend aufwärmen und eine Erkältung kann ich nicht gebrauchen.

Tag 17: Zwentendorf – Wien (62km)

Der Folgetag ist recht entspannt, da ich nur noch 62km am Donauradweg entlang fahren muss. Das ist quasi pure Erholung im Vergleich zu den Bergen. Am frühen Abend besuche ich Katrin und Flo, die ich beide aus Berlin kenne. Sie wohnen seit kurzem im Wien und haben mir freundlicherweise ihre Couch angeboten. Katrin, eine talentierte Tätowiererin, bietet mir spontan an, ein kleines Fahrrad zu tätowieren. Da kann ich natürlich nicht nein sagen und zack, schmückt jetzt ein kleines Glücksrad meinen linken Fuß. 

Tag 18 bis 21: Wien

Am Samstag Nachmittag kommt Severine aus Winterthur in der Schweiz an. Wir haben uns in meinem vorherigen Sabbatical auf dem Weg nach Ushuaia, Argentinien, kennengelernt. Wir waren uns von Anfang an sehr sympathisch und es hat sich eine tolle Freundschaft daraus entwickelt. Mindestens einmal im Jahr verreisen wir gemeinsam. So waren wir schon zusammen in Jordanien und auf Island. Durch Corona haben wir uns nun fast zwei Jahre nicht mehr gesehen. Es wird also allerhöchste Zeit. Umso schöner, dass sie spontan Zeit findet, um mich in Wien zu besuchen.

Zusammen erkunden wir die prunkvolle Stadt. Ein Schloss nach dem nächsten erkunden wir zu Fuß. Meine Beine sind dankbar für die Radfahrpause. Selbstverständlich gehen wir Sacher Torte, Wiener Schnitzel (für Severine) und Knödel essen.

Kulinarisch hat Wien einiges zu bieten. Abends gehen wir auf den Prater zum Riesenrad fahren. Plötzlich beginnt es zu regnen und blitzen. Alle Leute laufen wild schreiend umher und suchen Unterschlupf. Innerhalb kurzer Zeit ist der Prater menschenleer, während wir in einer Bar cocktailtrinkend dem Regen entfliehen. Als wir dann auch den Prater verlassen wollen, bietet uns ein Auto Scooter Besitzer an, noch eine letzte Runde zu drehen. Und schon sitzen wir in den Scooter und fahren ganz allein auf der Fläche ein paar Runden. Ach, das war ein witziger Tag.

Am Folgetag treffen wir auch noch einmal Katrin und Flo zum Essen und lassen unseren Wien Besuch gemütlich ausklingen. 

Soweit von meiner Radreise.

Bis bald 

Besitos

Mein Video Reisetagebuch findet ihr ihr: