16. Nepal – Das Dach der Welt!
Als ich in Nepal ankomme, beginnt auch schon mein achttägiger Online Kurs für den Dive Instructor Kurs. Also verbringe ich die ersten acht Tage damit zu lernen, Hausaufgaben zu erledigen und an den Online Seminaren teilzunehmen.
Es ist auch recht bewölkt und teils verregnet, so dass es mich wenig nach draußen zieht, um Pokhara zu erkunden. Nach den ganzen Erfahrungen in Indien, brauche ich auch ehrlich gesagt etwas Pause, um das Erlebte zu verarbeiten. Dementsprechend erhält Nepal leider nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient.
Nach den sehr interessanten und aufschlussreichen Onlineseminaren ist es nun aber an der Zeit für etwas mehr Bewegung und auch Aufregung. Da ich nicht allzu viel Zeit habe ab er dennoch gern im Himalaya wandern möchte, suche ich nach Möglichkeiten.
Der Poonhill Trek ist wohl ein prima Einsteiger Trek mit wunderschönen Aussichten. Allerdings nur vier bis fünf Tage. Etwas mehr darf es schon sein. Wie ists mit dem Annapurna Base Camp? Eine Wanderung um die sieben bis acht Tage zum Base Camp des Annapurna Gebirges, von wo aus man Annapurna I sehen kann. Das klingt herausfordernd und spannend. Ich stelle mich also auf die Annapurna Base Camp Wanderung ein, als mir Leute im Hostel erzählen, dass der Annapurna Circuit mit dem Überwinden des Thorong-La Passes auf 5416m viel schöner sei. Aber der gesamte Annapurna Zirkel dauert ca. drei Wochen. So viel Zeit habe ich nicht. „Aber du kannst auch nur einen Teil des Annapurna Circuits wandern, den Hauptteil quasi“ wird mir von anderen berichtet. 5416m? Schaffe ich das? Ist das nicht zu viel Höhe in zu kurzer Zeit. Brauche ich nicht mehr Akklimatisoerungszeit? Nach einigem Hin- und Herüberlegen steht für mich fest, dass ich die Herausforderung annehme. Sieben Tage auf dem Annapurna Circuit, einem der wohl schönsten langen Wanderwegen der Welt.
Ich leihe mir noch Wanderstöcke, einen kleineren Rucksack und eine dicke Daunenjacke. Ansonsten findet nur das Nötigste in meinem Gepäck Platz. Denn ich habe mich auch gegen einen Guide und gegen einen Porter entschieden. An sich wäre es gut, den nepalesischen Tourismus dadurch zu unterstützen, allerdings sind Guides und Porter doch sehr teuer und wie ich von vielen erfahre, nicht wirklich notwenig.
Ich mache mich also allein auf den Weg.
Tag 1: Pokhara – Chame (2600m)
Zunächst muss ich mit dem Bus fünf Stunden bis nach Besisahar fahren. Bus fahren in Nepal ist eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Man wird über Stunden hin- und heugeschüttelt. Ist aber auch nachvollziehbar, denn es geht immerhin ins Gebirge. In Besisahar beginnt der Annapurna Circuit, auf 760m Höhe. Allerdings führen die ersten Tage an der befahrenen Straße entlang und sind somit nicht so sonderlich spannend, so wird mir berichtet. Ich fahre also weiter mit dem Jeep bis nach Chame, auf 2600m. Ab hier beginnt das eigentliche Himalaya Erlebnis. Erst ab Chame sieht man die schneebedeckten Berge und die herausragenden Gipfel. Ich erreiche Charme im Dunkeln und nächtige in einem Tea House, so nennen sie hier die Gasthäuser. Oft sind es einfache, kleine Hotels, die man sehr günstig buchen kann. Wenn man Abends und morgens auch dort isst, bekommt man die Unterkunft teilweise gratis.
Tag 2: Chame (2600m) – Upper Pisang (3300m) – 17km
Früh am Morgen staune ich über diese fantastische Aussicht. Diese Berge. Unglaublich. Früh morgens ist es oft sehr klar und der Blick in die Berge hervorragend. Ich starte gegen sieben Uhr und laufe mich so langsam ein. Es geht allmählich bergauf. Nichts besonders Anstrengendes. Ein prima Einsteiger Tag. Da ich nicht aufgrund der Höhenkrankheit umkehren möchte, da ich schließlich nur recht kurz auf der Höhe bin, nehme ich prophylaktisch Diamox. Ein Medikament, welches der Höhenkrankheit entgegenwirkt. In Upper Pisang kann man bereits den Annapurna II bewundern. So hübsche Berge. Abends trinke ich immer einen Liter Ginger Lemon Tee, um mich aufzuwärmen. Denn so allmählich wird’s frisch.
Tag 3: Upper Pisang (3300m) – Mungii (3400m) – 17km
Dieser Tag klingt vom Höhenprofil erst einmal gar nicht so anstrengend. Und wenn man „unten“ am Fluss entlang wandert, ists auch nicht so anstrengend. Es gibt aber eine Alternative. Über Ghyaru und Nyawal. Das heißt es geht auf 3800m hinauf, um dort die unglaubliche Panoramaaussicht zu genießen und um zu akklimatisieren. Der Aufstieg hat es in sich. Zum ersten mal merke ich, wie die Luft immer dünner wird und ich schnell außer Atem komme. Aber Schritt für Schritt geht es voran. Und dann diese Landschaft. Diese Ausblicke. Unbezahlbar. Nach dem ich hinter Nyawal wieder hinabsteige, verirre ich mich für eine kurze Zeit. Eigentlich ist es keine Verirrung, eigentlich geht der Weg über eine Brücke über einen Bach. Doch die Brücke besteht nur noch zu einem Teil, der größte Teil, der über den Bach führt, existiert nicht mehr. Ok, und wie komme ich nun über den Bach? Ich suche nach geeigneten Stellen, finde aber alle Möglichkeiten nur semi optimal.
Es nützt nichts, ich muss über die Steine auf die andere Seite balancieren. Und zum Glück geht das auch gut, ich rutsche weder aus, noch falle ich ins Wasser. Also weiter geht es Richtung Manang. Bis Manang ist`s mit allerdings zu weit. Ich werde immer müder und der Auf- und Abstieg steckt mir in den Knochen. Also wandere ich bin Mungi. Das passt auch hervorragend, denn ab hier gibt es eine Nebenwanderung zu einem Eissee, die ich am Folgetag (zum Teil) machen möchte.
Mein Videotagebuch der ersten Wandertage:
https://www.youtube.com/watch?v=eOK7QgwhYVk
Tag 4: Mungii (3400m) – Manang (3550m) – 10km
Die folgenden zwei Tage sind Akklimatisierungstage. Es empfiehlt sich eine Wanderung zu unternehmen, die einige Höhenmeter beinhaltet, um anschließend wieder „unten“ zu nächtigen. Es gibt eine schöne Nebenwanderung zu einem Eissee. Allerdings sind diese 1100 Höhenmeter und das ganze wieder hinunter. Das muss ich nun nicht an einem Tag reißen. Ich entschließe mich, zumindest bis auf 4000m hinauf zu klettern, um mich besser zu akklimatisieren.
Und diese Wanderung ist so schön und mittlerweile auch schön atemberaubend. Nur langsam komme ich voran und werde erneut mit einem Panorama belohnt, bei dem einem auch ohne Bewegung der Atem stockt. Das ist absolut lohnenswert. Mehrere Annapurna Gipfel zeigen sich, wenn auch nicht der Annapurna I, welcher über 8000m hoch ist. Dieser ist eben nur von der Südseite aus zu sehen, nicht von der Nordseite. Das spielt aber auch keine Rolle, denn schöner kann eine Bergaussicht gar nicht werden. Ich bin begeistert und steige langsam wieder ab und laufe nach Manang. Die letzte Stadt, vor dem Thorong-La Pass.
Tag 5: Manang (3550m)
Heute ist ein weiterer Akklimatisierungstag. Sicher ist sicher. Wenn man zu schnell an Höhe gewinnt, kann es ganz schnell passieren, dass sich die Höhenkrankheit bemerkbar macht. Im schlimmsten Fall muss man dann umkehren oder pausieren. Daher sind Akklimatisierungstage wichtig. Auch heute wandere ich ein paar Höhenmeter nach oben, zu einem kleinen Kloster in den Bergen. Zusammen mit Isa. Isa ist ebenfalls eine Solo Wanderin. Kurzerhand entschließen wir uns zusammen weiterzuwandern. Da auch sie eher langsam unterwegs ist, passt das ganz gut. In dem besagtem Kloster lebt eigentlich nur eine Nonne. Ziemlich allein und zurückgezogen. Bei ihr kann man sich eine Segen für die bevorstehende Wanderung abholen.
Tag 6: Manang (3550m) – Yak Kharka (4000m) – 10km
Ab heute wird es kälter, höher und anstrengender. Es geht auf die 4000m zu. Verrückt. Die Tagesetappe ist mit 10km recht kurz. Weiter empfiehlt sich an diesem Tag nicht aufgrund der zurückgelegten Höhe. Man soll von einem Tag auf den nächsten nicht höher als 500 Höhenmeter schlafen. Also ist bereits nach drei Stunden schon wieder Entspannung angesagt. Allerdings wird es zunehmend kälter. Die Tea Houses haben alle einen Gemeinschafts- und Speiseraum, dieser wird in der Regel ab 17Uhr beheizt. Die einzelnen Zimmer sind nicht beheizt. Dennoch braucht man nicht zwingend einen Schlafsack, da es in jedem Tea House Decken gibt. Ich lass mir noch weitere Decken geben, denn nachts frieren will ich nun wirklich nicht. Es ist schon schwierig genug, nachts auf Toilette zu gehen. Da ich versuche, viel zu trinken, muss ich das auch immer in Kauf nehmen.
Tag 7: Yak Kkarka (4000m) – Thorong Pedi Base Camp (4500m) – 8km
Auch heute sind es nur wenige Kilometer, die ich zurücklege, allerdings geht es immer und immer höher. 4500m. Verrückt. Das ist auf jeden Fall der höchste Punkt auf dem ich je übernachtet habe. Eigentlich wollte ich im High Camp übernachten. Doch dann wäre wieder das Problem mit den Höhenmetern und viele raten einem auch davon ab, so weit oben (auf 4800m) zu schlafen. Es gibt allerdings einen riesigen Nachteil. Und zwar sind das knapp 1000 Höhenmeter am Folgetag und das bis auf 5416m, gefolgt von 1600 Höhenmeter wieder hinunter. Ob man das an einem Tag schaffen kann? Ich bin mir unsicher, da es aber die meisten so machen, wird das schon gehen. Man muss allerdings sehr früh starten. Und zwar schon im Dunkeln. Und bei Eiseskälte. Daher geht es auch sehr früh ins Bett.
Tag 8: Thorong Pedi Base Camp (4500m) – Throng-La Pass (5416m) – Muktinath (3700m) – 17km
Heute ist der Tag der Tage. Bereits 03:30 klingelt der Wecker und 04:30 sind Isa und ich startklar. Die meisten Wanderer starten bereits 04:00Uhr, einige Langschläfer aber auch erst 05:00Uhr. Es ist dunkel, aber der Vollmond scheint hell sind beleuchtet den Weg. Nur sehr langsam geht es für mich bergauf. Schritt für Schritt. Pause. Luft holen. Schritt für Schritt. Pause. Luft holen. Aussicht genießen. Und so weiter. Es wird allmählich hell und die ersten Sonnenstrahlen wärmen ein wenig. Und je höher es geht, umso mehr Schnee liegt. Und dann diese Aussichten!!!
Ich bin auf dem Dach der Welt. Unfassbar. Zwischenzeitlich, als es noch immer 300 Höhenmeter sind, habe ich ein kurzes Motivationstief. Wie soll ich das nur schaffen? Schließlich geht es nach dem Pass wieder 5 Stunden bergab. Aber die Aussicht macht alles wet und so kann ich wieder Kraft für die letzten Höhenmeter schöpfen. Und irgendwann ist es dann geschafft. Da sind wir. Auf 5416m. Verrückt. Es hat doch über vier Stunden gedauert, aber egal. Ich bin oben. Und tatsächlich gibt es hier eine Teehütte. Natürlich muss man sich hier einen Tee gönnen. Das ist der beste und wohl verdienteste Tee aller Zeiten.
Lange Zeit bleibt nicht zu verweilen, denn erstens ist es bitterkalt und zweitens geht es jetzt noch 1600 Höhenmeter bergab. Und die ziehen sich ganz schön. Und nach ein paar Stunden bergab tun auch die Knie ein wenig weh. Aufgeben ist wie immer keine Option. Natürlich nicht. Es geht also mit jedem Schritt wieder weiter runter. Und irgendwann, nach insgesamt 10 Stunden, erreichen wir Muktinath. Die erste Stadt nach dem Pass und zugleich ein hinduistischer Pilgerort. Wir haben allerdings keine Kraft mehr, um den Tempel anzuschauen, zumal dort auch einiges los ist. Nein, heute geht es nur noch ins Tea House. Lang ersehnt gibt es Essen und zur Feier des Tages einen Grog. Ach, ist das ein schöner Tag. So lohnenswert. 5416m. Und ich hab es geschafft!
Tag 9: Muktinath (3700m) – Pokhara
Wenn es am schönsten ist, soll man gehen, oder? Nach diesen aufregenden Tagen habe ich tatsächlich erst einmal genug vom Wandern. Mir schmerzt tatsächlich auch ein Knie und an den Füßen machen sich Blasen breit. Außerdem gibt es noch Einiges zu lernen für meine Tauchlehrerausbildung. Genügend Gründe, um bereits in Muktinath in den Bus zu steigen. Von hier aus kann man natürlich noch mehrere Tage weiter wandern und auch noch über den Poonhill Wanderweg den Annapurna I bestaunen. Für mich geht es allerdings in den Bus. Zehn Stunden werde ich nun durchgeschüttelt. Schwierige Straßenverhältnisse, Kurven rechts und links und alles ordentlich bergab. Nicht zu unterschlagen ist natürlich die weiterhin bezaubernde Aussicht. Aber nach zehn Stunden reicht es mit tatsächlich mit Bus fahren. Mehr muss es in dem Himalaya nicht sein.
In Pokhara angekommen, nutze ich die folgenden Tage, um mich zu erholen und zu lernen. Denn jetzt rückt die Zeit immer näher, dass ich den Tauchlehrerkurs absolviere.
Bis dahin
Besitos