Es darf gejammert werden!

7. Es darf gejammert werden!

Nun ja, ich starte morgens im leichten Regen aus Shkodra. Bis gestern war noch strahlender Sonnenschein, aber heute wird es ungemütlicher. Hoffentlich sind die Tage nicht allzu verregnet. An diesem Tag möchte ich bis Tirana radeln. 100 Kilometer sind für den ersten Radtag. Nicht wenig, aber immerhin ist noch alles flach. Zwischendrin gibt es nicht viele Übernachtungsmöglichkeiten. Die Strecke ist auch nicht besonders hübsch. Ich fahre eigentlich die ganze Zeit auf einer recht befahrenen aber breiten Straße. Einmal wird es kurz spannend, als ich das Gleichgewicht verliere und eine Straßenkante übersehe. Ich komme ins Wanken und falle kurze Zeit später auf die Straße. Zum Glück kommen gerade keine Autos an mir vorbei. Nur blöd, meine Lampenhalterung gebrochen und mein Lenker etwas verbogen ist. Doch wie es der Zufall will, passiert das Geschehen vor einer kleinen Autowerkstatt und somit kommt mir gleich ein freundlicher Mann zu Hilfe. Mit Sekundenkleber und Panzertape wird die Lampe fixiert und dank ordentlicher Manneskraft wird der Lenker wieder gerade gebogen. Ich kann also weiterfahren. Außer ein paar Schrammen am Knie ist mir auch nichts passiert. Mehr ist von diesemTag eigentlich nicht zu berichten. 

Dafür ist der Folgetag ereignisreicher. Ich weiß durch komoot, eine App mit der ich meine Routen plane, dass einige Höhenmeter zu bewältigen sind. Also fahre ich los. Im Regen. Und bei Sturm. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Noch bevor die Berge so richtig starten, schickt mich mein Navi auf eine Nebenstraße, die allerdings nicht geteert ist. Immer wilder werden die Gegebenheiten bist ich vollends auf einem schlammigen Weg ende. Na bravo. Gut gemacht, Navi. Oder besser gesagt komoot, denn die App schlug diesen Weg vor. Ich kann Siggi noch nicht einmal ordentlich schieben. Ich muss also umkehren. Noch bevor die Tour anstrengend wird, habe ich also mit all meinen Kräften zu kämpfen.

Hinzu kommt, dass mein Rad seit dem kleinen Autounfall unschöne Bremsgeräusche von sich gibt. Das macht die ruckelige Straßenfahrt nicht angenehmer. Mir kommen schon die Tränen und ich ahne, dass dieser Tag schwierig werden wird. Immerhin lässt der Regen etwas nach. Dann geht es in die Berge. Ca. 15 Kilometer bergauf. Mit Gegenwind. Großartig. Stück für Stück bezwinge ich mit Siggi den Berg. Die Aussicht wird immer schöner. Meine Kraft hingegen immer weniger. Aber irgendwie schaffe ich es doch und werde mit einer ebenso langen Abfahrt belohnt. Noch bevor ich in ein Hostel einkehre, wird Siggi noch vom Schlamm befreit und bekommt eine Dusche.

Auch der Folgetag wird nicht einfacher. Es stehen 85 Kilometer auf dem Programm und das meiste davon bergauf. Zum Glück ist es nur bewölkt und windig, was zwar nicht angenehm ist, aber dennoch besser als würde es noch zusätzlich regnen. Ich fahre also 55 Kilometer leicht bergauf. Die Steigung ist gering, so dass ich das meistern kann. Am Ende wartet allerdings ein Pass. Mein erster wirklicher Pass. Serpentinen schlängeln sich einen Berg empor. Ungefähr 7 bis 8 Kilometer kämpfe ich, dabei sind teilweise Steigungen von 15% dabei. Aber auch das meistere ich und werde belohnt mit einem wunderschönen Blick auf den Ohrid See. Auf der anderen Seite des See befindet sich bereits Nordmazedonien. Und wenn es nach oben geht, geht es auch wieder runter. Und zwar 20 Kilometer lang. Doch ja, dieses Gefühlig großartig. Man hat einen Pass geschafft und wird nun dafür belohnt. Ich habe langsam eine Ahnung davon, was Radler meinen, wenn sie von den tollen Bergen reden. Ich fahre bis Pogradec und übernachte in einem Hotel. Hostels gibt hier keine in der Gegend und zum zelten ist es definitiv zu nass und zu kalt. 

Der nächste Halt ist Korce. Eine wunderhübsche Stadt, allerdings auch ohne Hotels. Ich bleibe für zwei Nächte in einem Gästehaus, da es am folgenden Tag wieder regnen soll. Nun bin ich auch schon durch Albanien gereist, denn jetzt geht es Richtung Griechenland.

Natürlich nicht ohne Regen und Wind. Meine Motivation lässt ein bisschen zu wünschen übrig. Ich merke, wie sehr meine Laune vom Wetter abhängt. Bei Sonnenschein ist das alles doch einfacher. Nun gut. An der Grenze zu Griechenland kommt die Sonne auch etwas wieder zum Vorschein.

Aber das nächste Problem lässt nicht lange auf sich warten, denn die Straße, die komoot vorschlägt, ist wieder keine Straße, sondern ein matschiger und steiniger Weg. Und zwar fünf Kilometer bergauf. Keine Chance. Das schaffe ich unmöglich. Also bleibt nur die Autobahn. Auweia. Autobahn. Wirklich? Aber einen anderen Weg finde ich nicht. Zum Glück ist die Autobahn nicht stark befahren. Eigentlich ist sie so gut wie gar nicht befahren und durch den vorhandenen Standsteifen fühle ich mich doch recht sicher. Ich schaffe es also bis nach Kastoria und übernachte bei Eva und Niko, zwei Warmshower Anbieter. Sie sind super freundlich und hilfsbereit. Es ist toll, eine solche App wie Warmshower nutzen zu können und dabei super liebe Locals kennenzulernen. 

Am Folgetag, wie soll es anders sein, ist wieder ein Berg in meinem Weg, der bezwungen werden möchte. Anstrengend. Hinzukommt in Griechenland, dass es sehr viele Hunde gibt. Diese springen und laufen lauthals bellend hinter mir hinterher. Zunächst ist es sehr beängstigend, da ich denke, dass sie mich jeden Moment beißen. Aber anscheinend bellen sie nur und wollen einen verjagen. Dennoch ist es immer wieder sehr  erschreckend, wenn ein, zwei oder drei Hunde gleichzeitig die Verfolgungsjagd aufnehmen. Also ob ich mich daran gewöhnen kann? Ich weiß es nicht. Aber ich habe gelernt, dass man langsam fahren und den Hunden gut zureden soll. Genauso wird’s gemacht. 

In dieser Nacht schlafe ich in einem vier Sterne Hotel, da es leider wieder nichts anderes in Ptolomaida gibt. Ja, Schönwetter-Radeln war auch deutlich geldsparender. 

Am Folgetag steht mir eine unglaublich lange Tour bevor. Eigentlich wollte ich in Odessa einen Zwischenstopp einlegen, da es aber auch dort keine günstigen Hotels gibt und der Fakt, dass es am übernächsten Tag heftig regnen soll, lassen mich Meisterleistungen vollbringen. So fahre ich an diesem Tag 147 Kilometer bis nach Thessaloniki. Ich hätte es kaum für möglich gehalten, aber ich habe es geschafft. Aber auch nur, weil es an diesem Tag keine Berge gibt. Ziemlich stolz und auch erschöpft komme ich in Thessaloniki an und bleibe ganze vier Tage. Donnerstag und Freitag passiert nicht viel, da es wirklich wie aus Kübeln regnet.

Abends traue ich mich dann rotz des Regens aus dem Hostel, um Jan, Iris, Anne und Flo zu treffen. Allesamt Radler aus Deutschland, genauer aus Berlin. Wir kennen uns bereits aus einer Radlergruppe in Facebook. Und wie es der Zufall will, sind wir alle zur selben Zeit in Thessaloniki. Also treffen wir uns auf einige Weine in einer kleinen netten Bar, die uns allerdings mit Tetrapack-Wein (!) und 5 Euro pro Glas doch etwas mehr abknöpft, als in Thessaloniki üblich. Egal, der Abend ist sehr witzig und wir können gute Informationen austauschen. 

Wie gut, dass ich an diesen Tagen nicht radeln muss. Das wäre furchtbar gewesen. Am Freitag Abend wollten mich eigentlich Pamela und Sakko aus Tschechien besuchen kommen, doch leider steht ihr Bus so lange im Stau, dass sie den Flieger verpassen. Es ist wirklich sehr sehr schade, da ich mich sehr gefreut habe, die beiden wiederzusehen. So muss das Wiedersehen verschoben werden. 

Also erkunde ich auf eigene Faust die Stadt am Samstag. Der erste Tag, an dem es nicht regnet. Thessalonikis eine hübsche Hafenstadt mit vielen alten Gebäuden und Kirchen.

Und Katzen, die überall auf den Autodächern schlafen. An sich ist das gar nicht so ungewöhnlich, doch als ich einen Hund auf einem Autodach entdecke, kann ich nicht mehr vor lachen. Ein Hund auf einem Autodach! Wie ist er da hoch gekommen. Denkt er, er ist eine Katze? Zu süß. Diesen Anblick werde ich nicht so schnell vergessen.

Am Abend gehe ich mit Stratos, einem Ortsansässigen in einige Rock- und Metal Bars. Es ist toll, wenn einem Locals die Stadt zeigen. Ich war ja schon ewig nicht mehr in einer Metal Bar und in einem Ausgehviertel, wo die Straßen voller Menschen sind. Durch Covid hat man das doch fast schon wieder vergessen. Ein toller Abend, auch wenn ich zunächst Schwierigkeiten habe, etwas länger wach zu bleiben. Durch die Radtour bin ich doch eher ans zeitig schlafen gehen und früh starten gewöhnt.

Nach vier Tagen ist es soweit, meine letzte Etappe startet. Ich habe noch ca. 650 Kilometer bist Istanbul. Bisher habe ich 2850 Kilomter im Sattel. Wer hätte gedacht, dass ich soweit komme? Ich habe daran jedenfalls gezweifelt. Also auf gehts in die letzte (Radel) Runde.

Bis dahin

Besitos