Ciudad Perdida – Aufgeben ist keine Option!
Für manche ist der Treck zur verlorenen Stadt ein spannendes und anspruchsvolles Abenteuer. Für mich war es ein Trip an über meine Grenzen, einmal zur Hölle und wieder zurück, mit einem Umweg über den Himmel. Ich würde jedem diese Tour empfehlen und gleichzeitig würde ich davor warnen. Aber beginnen wir von vorn:
Tag 1: Kann losgehen!
Isabella (noch immer aus Österreich), Jonas(aus Magdeburg, in der Schweiz wohnend) und ich haben die Tour für ca. 200 Euro bei Expotours gebucht und sind morgens zur Filiale gelaufen.
Im Gepäck war nur das Nötigste. Sheps entschied sich ein paar Tage frei zu nehmen und in Santa Marta zu entspannen. Das war keine schlechte Idee. Also ohne Sheps, dafür mit jeder Menge Wanderausrüstung kamen wir zum Office. Dank Kathrin bin ich natürlich wunderbar ausgerüstet. Dummerweise sah ich nun auch so aus, als würde ich mich auskennen und ständig Berge hoch- und runterlaufen. Mein Haspa-Marathon-Shirt unterstütze diese These. Blöd war nur, dass ich so gar keine Wandererfahrung habe. Letztes Jahr habe ich zwar den Teide in Teneriffa bestiegen, besonders leicht fiel mir dies allerdings nicht. Eine mehrtägige Wanderung war für mich absolutes Neuland und ich befürchtete Schlimmes. Warum habe ich noch einmal darauf eingelassen? Gruppenzwang? Abenteuerwahnsinn? Ich weiß es nicht. Und irgendwie geriet ich dann auch noch in die selbsternannte „Fast Group“. Verdammt. Das kann etwas werden. Nachdem wir gut zwei Stunden aus Santa Marta nach Machete Pelao gefahren wurden, gab es zunächst ein Lunch. Frisch gestärkt und motiviert begann unsere Gruppe, bestehend aus 13 Backpackern und zwei Guides, die erste Etappe. In brütender Hitze, bei über 30 Grad und ohne Schatten erklommen wir den ersten Berg. Nahezu zwei Stunden dauerte der Aufstieg. Bei kurzen Pausen erhielten wir frisches Obst, über welches wir herfielen. Kaum auszuhalten und bereits fluchend tat ich einen Schritt nach dem anderen. Die ca. eineinhalb Stunden Abstieg bis zu unserem ersten Camp waren dagegen fast erholsam. Angekommen im Camp sprangen alle freudestrahlend und noch immer motiviert in einen kühlen See an einem Wasserfall. Um ca. 21 Uhr schliefen alle friedlich in ihren Betten, denn 5 Uhr morgens sollten wir wieder aufstehen.
Tag 2: Höllentag
Nach dem Frühstück begann die erste Etappe des Tage von ca. 3,5 Stunden. Ich wusste bereits, dass der zweite Tag der härteste werden würde und so war meine Laune eher gedämpft, da ich doch Bedenken hatte, dies zu schaffen. Abwechselnd liefen wir bergauf und bergab, mal mehr und mal weniger anstrengend. Und schon begannen meine Füße Ärger zu machen. Entstanden doch glatt zwei Blasen an den Füßen, da ich morgens vergessen hatte, sie mit Anti-Blasen-Creme einzureiben. Vielleicht hätte ich auch so Blasen bekommen. Man weiß es nicht. Zur Mittagspause gab es erneut eine Erfrischung im Rio Buritaca. Der Nachmittag war dann der Weg in die Hölle. Ein einstündiger ziemlich steiler Anstieg stand bevor und ich dachte nur immer wieder: Nicht aufgeben! Nicht aufgeben! NICHT AUFGEBEN!!! Ich fluchte und keuchte und irgendwie nahm der Aufstieg kein Ende. Aber natürlich, auch wenn ich sehr langsam war, habe ich nicht aufgegeben und schaffte es.
Die zwei Stunden danach waren ebenfalls durchwachsen. Bergauf, bergab, bergab, bergauf, Plateau, bergab. Vorbei an Tälern und einem indigenen Dorf, an Pflanzen von Kaffee, Banane, Kakao, Koka und Millionen anderer Pflanzen, die ich nicht bestimmen konnte, über Stock und Stein und durch den knie- bis hüfthohen Rio Buritaca. Es war quasi alles dabei. Bilder können diese Erfahrung nicht wirklich einfangen. Schon gar nicht die kleine Knipse. Hundemüde kamen wir im zweiten Camp an. Bereits 19 Uhr gingen wir zu Bett. Zu anstrengend war der Tag und die Augen fielen zu.
Tag 3: Ciudad Perdida – Die verlorene Stadt
Erneut begannen wir morgens 6 Uhr die Wanderung.Uns trennten noch ca. 30 Minuten Wanderung und 1200 (!) Stufen von der verlorenen Stadt.
Joel, unser Guide, erklärte uns, dass dieses Gebiet vom 7. Jahrhundert bis zum 11. Jahrhundert von den Tayrona erbaut wurde. Die Tayrona, deren ursprünglicher Name Tairo war, wurden jedoch im 17. Jahrhundert von den Spaniern besiegt und flüchteten weiter hinein in die Sierra Nevada. Erst 1975 wurde die verlorene Stadt wieder entdeckt. Die Waqueros, eine Art Grabräuber, plünderten die Goldschätze in den Gräbern, denn auch die Tayrona hatten die Tradition, ihre Verstorbenen mit Gold und Silber in Mitte des Hauses zu begraben. Zum Glück unterband die Regierung diese Plünderung ab 1977. Sie fand zusammen mit den Indigenas den Kompromiss, keine weiten Städte in diesem Gebiet zu erkunden, da diese Stätte heilige Orte sind, welche durch die Erforschung verunreinigt würden. Im Gegenzug durfte die kolumbianische Regierung die Ciudad Perdida rekonstruieren und für Touristen zugänglich zu machen. Seit 1981 kommen stets Touristen hierher, um die Ciudad Perdida zu bewundern.
Nachdem wir drei Stunden diesen wundervollen Ort bestaunen durften, begannen wir mit dem Rückweg. Erst eine Stunde bis zum Lunch und nach noch einmal dreieinhalb Stunden zum Camp. Die fantastischen Eindrücke linderten meine Schmerzen. Neben den Blasen hatte ich nun auch generelle Fußschmerzen und die Muskeln machten sich bemerkbar. Als Joel Abends noch einige Geschichten der indigenen, noch heute lebenden Völker erzählte, fielen mir immer wieder die Augen zu. Dennoch ist es erwähnenswert, dass die indigenen Frauen ziemlich schlechte Karten haben. Frauen und Männer leben in getrennten Häusern. Während der Mann ein entspanntes, Koka kauendes Leben führt, darf die Frau sämtliche Arbeiten verrichten. Daher sterben Frauen viel früher als Männer. Über die Aufgaben des allwissenden Schamanen will ich gar nicht sprechen. Nur so viel sei gesagt: Bevor Frauen (bzw. Teenies) in die Ehe geschickt werden, müssen sie die Kunst der Sexualität erlernen. Natürlich beim Schamanen. Und auch die Jungen lernen einiges über die Sexualität bei erfahrenen Frauen. In unserer modernen Welt sind solche Zustände kaum zu begreifen.
Tag 4: Den Rest schaff ich auch noch!
Noch einmal sechs Stunden Wanderung standen bevor. Dieses Mal mit zwei Aufstiegen, von je einer Stunde. Meine Blasen, mittlerweile offen, schmerzten höllisch. Ich wusste gar nicht, was schlimmer war. Der Aufstieg, bei dem ich mich jedes mal wie ein Kettenraucher fühlte (Das wird die Rache für das jahrelange Rauchen sein.) oder der Abstieg, bei dem jeder einzelne Schritt schmerzte. Es war furchtbar. Ich wollte auch gar keine längere Pause, geschweige denn eine Erfrischung im See. Denn dann hätte ich die Schuhe ausziehen müssen und das konnte und wollte ich nicht noch einmal. Also marschierte ich schon früher von der Pause los und konnte so mein eigenes Tempo gestalten. Aber irgendwann war auch der letzte Kilometer geschafft und gegen Mittag erreichten wir wieder Machete Pelau.
Mega happy, erleichtert und verdammt stolz tranken wir ein Sieger-Bier. Nach zwei holperigen Stunden Rückfahrt, konnten wir kaum erwarten, endlich aus den stinkenden Klamotten raus und unter die Dusche zu kommen. Abends versammelte sich die „Fast Group“ erneut zum dinieren und Cocktails schlürfen. Bis knapp 24Uhr habe ich ausgehalten, bevor ich mit geschwollenen und schmerzenden Füßen einschlief.
Ein „once-in-a-lifetime“-Erlebnis, welches ich sicherlich niemals vergessen werden. Nahezu 50km bin ich als absoluter Nicht-Wanderer durch den kolumbianischen Dschungel getingelt. Die verlorene Stadt haben wir gefunden. Die Schmerzen haben sich gelohnt. Und wie Isabella zu sagen pflegt: Aufgeben ist bzw. war KEINE Option!