Angina statt Dschungel!

Angina statt Dschungel!

Der Abreisetag in Rio de Janeiro begann schon nicht so besonders gut. Sonntagmorgen wachte ich durch prassende Regentropfen am Fenster und mit leichten Halsschmerzen auf. Nach einem Frühstück langweilte ich mich noch ein wenig an der Rezeption bis 11:30 Uhr verfrüht mein Flughafentransfer kam. Dadurch, dass am Sonntag weniger Verkehr herrscht, kam ich viel zu früh am Flughafen an. Egal. Jetzt erst einmal den schweren Rücksack angeben. Kopfschmerzen machten sich neben den Halsschmerzen breit. Zum Glück konnte ich den Rucksack bereits abgeben. Ich hatte drei verschiedene Flüge und der nette Mann am Schalter meinte dann zu mir: „Bitte das Gepäck in Lima noch einmal abholen und erneut einchecken?“ „Wie bitte? Erneut einchecken?“ Auch das noch. Nun gut. Mittlerweile wurden meine Beine immer träger. In der Nähe des Gates gab es tatsächlich eine Art Couchecke. Perfekt. Die gehörte mir. Ich nahm eine Schmerztablette und legte mich hin. War mir doch egal, was die anderen denken. Bis zum Flug schlummerte ich so gut es eben ging. Dann stieg ich in den Flieger und mein Platz war besetzt. „Ähm… Sorry… Das ist mein Platz.“ Die Frau, vermutlich eine Mutter einer argentinischen Rasselbande, stand auf und fing mit ihrer ganzen Rasselbande an zu diskutieren. Diese Diskussionen dauerten quasi bis zum Flugbeginn. Mir war es egal. Ich hatte meinen Platz und konnte weiterschlafen. Während des Startvorgangs hörte man die Flugbegleiterin etwas durchsagen und auf einmal beschleunigte der Pilot bereits. Schrei. Plums. Da hätte sie wohl schon sitzen sollen. Alles schaute nach vorn und wollte zum Teil aufstehen, bis die Durchsage kam: „Bitte bleiben Sie sitzen!“ Irgendwie war das ein chaotischer Flug. Umsteigen in Foz do Iguacu. Mittlerweile war ich schon so k.o. und wollte einfach nur noch schlafen. Mein Hals schmerzte, mein Kopf hämmerte, ich glühte und meine Beine wollten auch nicht mehr. Auch hier versuchte ich jede Minute zu schlafen, wie es eben auf unbequemen Flughafenstühlen so möglich ist. Als ich im Flugzeug mein Platz einnehmen wollte, war dieser schon wieder besetzt. Können die Leute ihre Bordkarten nicht lesen? Steht doch eindeutig drauf, wo man sitzt. Mutter und Tochter, beide im erwachsenen Alter, standen auf und suchten einen anderen Platz, so dass der Platz in der Mitte frei blieb. Na wenigstens etwas. So hatte ich ein wenig mehr Platz. Ich schlief auch hier wieder die ganzen vier Stunden. Mir tat nun nicht nur der Hals und der Kopf weh, nein, auch meine Schultern fühlten sich mega verspannt an. Ich fluchte über die blöden Klimaanlagen in Rio de Janeiro. Muss es denn überall auf gefühlte 12 Grad gekühlt werden? Bei 20 Grad Außentemperatur? Das ist ungesund und auch nicht gerade umweltfreundlich. Bei dem ständigen Wechsel der Temperaturen ist es ja kein Wunder, dass man krank wird.

Im Lima angekommen, graute es mir vor der Gepäckausgabe. Ich hatte vom Moment der Landung bis zum nächsten Start genau zwei Stunden, um mein Gepäck abzuholen, neu einzuchecken und dann auch noch pünktlich das Flugzeug finden. Und das Ganze ohne Kraft. Ich fühlte mich sehr schlapp und hatte keine Ahnung wie ich das schaffen sollte. Zum Glück konnte eine nette Dame am Informationsschalter bewirken, dass mein Rucksack nicht erneut eingecheckt werden musste, sondern direkt nach Quito weitergeleitet wurde. Danke. Auch den letzten Flug überstand ich irgendwie und landete nachts 2:30 in Quito. Ich wusste, dass ich noch bis zum Morgengrauen warten müsste, denn ich wollte nicht nachts nach Quito fahren, zumal ich für diese Nacht noch kein Hostel hatte. Also legte ich mich, wie ein Häufchen Elend, auf den Boden, irgendwo am Flughafen. Weil es so kalt war und ich abwechselnd schwitzte und fror, holte ich mein Schlafsack heraus und versuchte irgendwie eine halbwegs bequeme Position zu finden. Ich schlief knapp drei Stunden am Flughafen, während immer wieder Putzfrauen um mich herum putzten. Gegen halb sieben packte ich meinen Kram zusammen. Mittleidige Blicke ignorierte ich. Da ich mittlerweile kaum noch Kraft für irgendetwas hatte, kam nur noch ein Taxi in Frage. Zum Glück bin ich in Ecuador und die Preise sind wieder günstig. Ich fuhr also zum Hostel und kam halb acht, nach ca. 22 Stunden Reise an. Ich wechselte vom Schlafsaal zum Einzelzimmer und netterweise durfte ich auch schon ins Zimmer, obwohl Check-In erst 14 Uhr ist. Ein Bett. Gott sei Dank! Jetzt musste ich erst einmal Fieber messen, fühlte es sich doch so an, als hätte ich Fieber. Die erste Messung, die warum auch immer vom Thermometer zwischenzeitlich unterbrochen wurde, ergab 41,2. Das kann nicht sein. Mit über 40 Grad Fieber kann ich keine zwei schweren Rucksäcke tragen. Neue Messung: 39,8. Besser. Aber auch nicht gut. Das ist ganz schön viel. Ich nahm erneut eine Paracetamol und legte mich schlafen. Das war so dringend notwendig.

Nach ein paar Stunden Schlaf telefonierte ich mit meiner Schwester, sie ist Ärztin. Die Symptome sprechen eindeutig für Angina. Na wunderbar. Hätte es nicht eine einfach Erkältung sein können? Ich wollte doch am Mittwoch in den Dschungel. Hätte mir das nicht in Rio de Janeiro passieren können? Verdammt.

Meine Schwester erklärte mir, welches Antibiotikum dagegen hilft und wie ich es zu dosieren habe. Ich wusste nicht, ob ich Antibiotika einfach so in der Apotheke bekommen würde, aber ich versuchte es. Für einen Arztbesuch fehlte mir jegliche Kraft. Der Weg zur Apotheke fühlte sich wie ein Halbmarathon an. Immerhin bin ich nicht nur krank, sondern auch noch auf 2800m Höhe. Alles zusammen war für mich kaum erträglich. Ich bekam das Antibiotikum in der Apotheke, holte mir noch ein wenig Wasser und Obst und legte mich für die nächsten zwei Tage ins Bett und machte tatsächlich nichts außer schlafen. Noch nicht einmal essen konnte ich. Nichts. Einfach nur daliegen und warten bis es besser wird. Es war klar, die Dschungeltour musste gestrichen werden.

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Nun aber genug gejammert. Kommen wir zu den tollen Dingen. Nach zwei Tagen, am Mittwoch, war das Fieber endlich weg, die Halsschmerzen blieben zum Teil und auch war ich weiterhin schwächlich. Aber ich traute mich immerhin, eine Runde um den Block zu laufen. Mein Hostel liegt im Mariscal Viertel, was von Anwohnern Quitos auch gern Gringolandia genannt wird, da sich hier die meisten Backpacker befinden. Es ist ein sehr munteres und aufgeschlossenes Viertel mit vielen Restaurants, Cafés und Bars. Sympathischerweise entdeckte ich gleich zwei Rockbars in unmittelbarer Nähe meines Hostels. Vielleicht werde ich ja bald wieder fit und kann diese Bars mal genauer anschauen. Auch konnte ich endlich wieder essen. Und direkt neben meinem Hostel gab es einen libanesischen Imbiss, der auch Arepas führte. Juhu. Arepa!!!

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Hier fand ich auch einen neuen kleinen Freund. Ein unglaublich süßer kleiner Hund, der mit meinen Schuhen kuscheln wollte. Süß. Hätte ich am liebsten mitgenommen.

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Abends schaute ich im Internet nach den Wetterprognosen, denn manche Sehenswürdigkeiten lohnen sich nur bei gutem Wetter. Und siehe da, keine Internetseite konnte mir eine vernünftige Auskunft geben. Auf der einen Seite stand etwas von 14 Grad und Regen, die nächste Seite zeigte 22 Grad und Sonne an. Wiederum eine weitere Seite sagte voraus, dass es 18 Grad und wechselhaft sein würde. Was denn nun? Später erklärte mir ein Taxifahrer, dass man jeden Tag jedes Klima erleben kann. Ist es in einer Minute noch sonnig, ziehen im nächsten Moment dicke Regenwolken auf. Während es im Norden der Stadt heiß ist, kann es im Süden kühl zugehen. Und tatsächlich erlebt man die unterschiedlichsten Wettermöglichkeiten. Verrückt. Das Wetter in Quito sei wie die Launen einer Frau – unvorhersehbar und wechselhaft. 🙂

Donnerstag morgen war blauer Himmel und ich beschloss mit der Gondel auf 4000m zu fahren, um einen Blick über Quito und die umliegenden Vulkane zu ergattern. Oft sind die Vulkane wolkenverhangen und somit nicht oder kaum zu sehen. Wenn man jedoch morgens bei gutem Wetter hochfährt, kann man die Vulkane sehen. Also ließ ich mich kurz vor acht vom Taxi zur Gondel fahren und war tatsächlich der einzige Tourist. Wirklich? Niemand da? Ich hätte gedacht, dass mehrere Touristen so früh am Morgen den Weg zum TeleferiQo finden.

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Ich fuhr also allein auf den Berg und schon beim hochfahren kamen mir fast die Tränen, so überwältigend war die Aussicht. Mit nur wenigen Wolken konnte man sämtliche Vulkane in der Umgebung sehen. Allen voran der schneebedeckte Cotopaxi (5911m).

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Aber auch der Antisana (5753m) und der Cayambe (5790m) zeigten sich in ihrer Schönheit.

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Es war atemberaubend. Und das kann man auf 4000m sogar wörtlich verstehen. Hinter der Gondelstation sieht man einen weiteren Vulkan, den Pichincha (4784m), dem sogenannten Hausberg von Quito.

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Hier üben einige Backpacker, bevor sie den Aufstieg auf den Cotopaxi wagen. Und auch ich wollte hinauf wandern. Leider darf ich das nicht. Ist doch die Höhe schon Anstrengung genug für mich und meine Angina. Es fühlte sich ein wenig so an, als würde ein Schild mit der Aufschrift hier stehen: „Tine muss leider unten bleiben.“

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Dennoch genoss ich die Aussicht, und dies allein. Kein Mensch war hier. Wie kann das sein? Da ich nicht viel laufen darf, setzte ich mich eben auf eine Bank und blickte in die Ferne. Wow, sieht der Cotopaxi toll aus. Irgendwann schaff ich das da hoch. Bestimmt.

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Erst eine dreiviertel bis eine Stunde später kamen die ersten Touristen und/oder Wanderer. Nur leider zogen bereits die Wolken auf und verdeckten die Sicht auf einige der Vulkane. Muss man eben früher aufstehen. Ha!

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Weiter ging es mit dem Taxi auf einen Hügel, genannt Panecillo (Brotleib), auf dem eine riesige Madonnenfigur steht. Tatsächlich sollte man sich den Hügel auch mit dem Taxi hochfahren lassen, da der Weg wohl gefährlich sein soll und man hier häufig ausgeraubt wird. Aber laufen wäre für mich ja heute sowieso nicht in Frage gekommen. Die Madonna (45m hoch) thront über der Stadt. Mal etwas anderes. Allerdings finde ich, sieht sie ein bisschen so aus, als hätte sie Bauchschmerzen. Aber vielleicht verstehe ich die Kunst nur einfach nicht.

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Auch von hier aus hat man einen tollen Blick über Quito.

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Zum Frühstück/Mittag habe ich mir gebackenen Teig mit Zucker und Honig und einen dickflüssigen Erdbeerbrei gegönnt. Muss ich doch wieder anfangen, lokale Dinge zu probieren und es war auch tatsächlich lecker.

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Zeit, um wieder ins Bett zu gehen. Den Rest des Tages verbrachte ich also wieder im Bett. Donnerstagmorgen holte mich Marco, ein Taxifahrer, vom Hostel ab und wollte mit mir eine Tour zum Mitad del Mundo (Mitte der Welt) machen. Zugegeben, normalerweise mache ich so etwas nicht. Mit dem Bus ist das viel günstiger und auch authentischer, als sich überall mit dem Taxi „hingurken“ zu lassen. Aber leider bin ich noch immer krank und sollte mich möglichst wenig anstrengen und Marco ist ein verdammt netter Taxifahrer, welcher zudem meinte: „Du möchtest Spanisch lernen? Na dann haben wir ja jetzt viel Zeit uns zu unterhalten“. Und tatsächlich unterhielten wir uns über ecuadorianische Geschichte, seine Familie und seine pubertierende Tochter, über Erdbeben, Essen, Wetter und Religion. Er sprach ein sehr gutes Spanisch, so dass ich wirklich viel verstehen konnte. Er zeigte mit neben den Monument Mitad del Mundo, noch den echten Äquator, fuhr mit mir auf einen Berg, um einen Krater zu sehen und in ein kleines niedliches Dorf.

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Das mächtige Monument kennzeichnet den Äquator. Diese Stelle wurde 1736 von den Franzosen festgelegt. In der modernen GPS Zeit hat sich jedoch herausgestellt, dass der Äquator ca. 240m weiter nördlich verläuft. Hier befindet sich heute ebenfalls eine rote Linie, die den richtigen Äquator zeigt.

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Witzig finde ich den Trick mit dem Wasser. Wobei es ja kein Trick, sondern einfach nur Physik ist. Auf der Südhalbkugel dreht sich das Wasser im Abfluss rechts herum. Auf der Nordhalbkugel links herum. Und das in einem Abstand von ein paar Metern zu sehen, ist schon sehr eigenartig. Als ich noch vor dem Globus stand, war mir die Erklärung klar. Mittlerweile kann ich das nicht mehr erklären. Aber Physik habe ich sowieso noch nie verstanden. Wobei auch schon wieder gehört habe, dass das mit den Drehrichtungen nicht stimmt und Zufall ist. Wie dem auch sei, das Experiment klappt jedenfalls am Äquator. Ob es nun stimmt oder nicht. Auch das Ding mit dem Ei habe ich nicht wirklich verstanden. Warum kann das Ei hier auf dem Äquater besser stehen? Hat bei mir auch nicht funktioniert.

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Nach vier Stunden kam ich ziemlich müde wieder im Hostel an und legte mich ins Bett. Leider plagen mich schon wieder Hals- und Kopfschmerzen, so dass ich beschloss weitere zwei Tage im Bett zu verbringen und erst am Montag Richtung Latacunga zu fahren.