Ab in den Sommer!

9. Ab in den Sommer!

Da ich es nicht so mit der Kälte und dem Winter habe, steht für fest, es muss in den Süden gehen. Daher kommt weiter radeln auch gar nicht in Frage. Gut, ich könnte mein Fahrrad mitnehmen, aber die Länder, die ich bereisen möchte, sind nicht gerade die besten Fahrrad Destinationen. Jedenfalls nicht für mich. 

Wo geht es jetzt hin? Ich habe mich für die Malediven entschieden. Eigentlich standen die Malediven nie so richtig auf meiner To Do Liste, bis mir erzählt wird, dass tauchen dort besonders toll sein soll. Vor allem gibt es auf den Malediven viele Tigerhaie, so wird mir berichtet. Das habe ich recherchiert und tatsächlich gibt es um die Insel Fuvahmulah, welche am Äquator gelegen ist und zu den südlichen Atollen gehört, eine recht große Tigerhai Population. Großartig. Da will ich hin! Es gibt die Möglichkeit auf Tauchsafaris zu gehen oder direkt auf die Insel zu fliegen. Preislich unterscheiden sich beide Optionen kaum. Teuer ist sowieso alles auf den Malediven. Wenn man auf einer Tauchsafari ist, bekommt man von allem etwas geboten, wenn man mehrere Tauchgänge in einer Gegend macht, kann man die Umgebung gründlicher erkunden. Es hat also beides seine Vor- und Nachteile.

Ich entscheide gegen eine Tauchsafari und fliege direkt auf die Insel. Schließlich gibt es auch mal Zeiten, da hat man Pech mit den Tauchgängen und bekommt eventuell gar nichts zu Gesicht. Und ich denke, ich habe mich richtig entschieden. Gut, die Vielfalt wäre auf einem Liveaboard größer, aber nichts genaues weiß man nicht, wenn man es nicht erlebt hat. 

Zunächst erreiche ich morgens nach einer längeren Reise Male, die Hauptstadt der Malediven. Hier muss ich einen halben Tag verbringen, denn mein Anschlussflieger geht gegen 22Uhr. Ich fahre mit der Fähre von der Flughafen- auf die Stadtseite und laufe durch Male. Es ist warm, aber doch etwas stürmisch und bewölkt. Die Stadt ist eng, chaotisch und überall fahren Mopeds. Auf der linken Seite! Daran muss ich mich erst einmal gewöhnen, stets und ständig schaue ich in die falsche Richtung. Nun gut, ich laufe also etwas müde durch Male und suche ein Café. Aber so richtig finde ich kein Café, zumindest nicht mit Internet, denn die Kommunikation mit der Tauchschule, mit der ich noch Fragen zu klären habe, wäre wünschenswert. Fehlanzeige. Alle Restaurants oder Cafés, wenn ich denn welche entdecke, haben kein Internet. An sich ja auch gar nicht so verkehrt, aber ich muss hier mehr als 12Stunden verbringen und durch Male ist man schnell gelaufen. Nach dem Mittag werde ich müde und kann kaum mehr die Augen offen halten. Ich weiß, dass es durchaus üblich ist, nur stundenweise ein Hotel zu buchen, um die Wartezeit zu verbringen. Und genau das mache ich auch. Ich buche also ein Hotelzimmer und kann somit immerhin fünf Stunden schlafen. Abends gehe ich noch etwas essen und bin super pünktlich wieder am Flughafen, um festzustellen, dass der Flieger 45 Minuten Verspätung hat. Aus den 45 Minuten werden fast 2 Stunden. Erst um Mitternacht hebt der Flieger ab. 

Am nächsten Morgen gehe ich zur Tauchschule. Eigentlich will ich erst einmal die Lage checken und am Folgetag tauchen. Das klappt natürlich nicht. Denn bereits der nächste Tauchgang ist für den Tiger Zoo geplant. Ich bin aufgeregt, wie ein kleines Kind vor Weihnachten. 

Der Tauchplatz ist direkt in der Nähe, so muss keine größere Strecke mit dem Boot zurückgelegt werden. Dann tauchen wir auf zehn Meter ab und legen uns auf den Boden. Schon während wir abtauchen sieht man Tigerhaie umherschwirren. Nachdem alle ihren Platz eingenommen haben, werden die Haie gefüttert. Von nun an beginnt das Spektakel. Die Haie drehen ihre Runden und suchen nach Futter, schwimmen über, neben und hinter einem. Vor allem von hinten sollte man sich in Acht nehmen. Tigerhaie greifen in der Regel keine „Beute“ von vorn an, sondern aus einem Winkel, der die Beute überrascht. Also von hinten, wo man den Hai nicht heranschleichen sieht. Schwimmen Tigerhaie direkt auf einen zu und sehen, dass man Augenkontakt herstellt und sich kraftvoll präsentiert, ist die Chance eher gering, dass sie einen beißen. Haie greifen nämlich nur dann an, wenn sie sich wirklich sicher sind, dass die Beute auch erlegt werden kann. Um dementsprechend Größe zu präsentieren, wenn sich die Tigerhaie nähern, hat jeder Taucher einen Stock in der Hand. Damit zeigt er dem Hai, dass es hier nicht entlang geht und dass es schon gar nichts zu holen gibt. Auf keinen Fall sollte mit dem Stock auf den Hai eingeschlagen werden, aber das versteht sich ja von selbst.  

Da die Gefahr also eher von hinten lauert, sind hinter den Tauchern mehrere Guides, die drauf aufpassen, dass die Haie nicht zu nah kommen. Soweit zu den Sicherheitsvorkehrungen. Also ganz so gefährlich, wie man sich das vorstellt, ist es nicht, dennoch ist eine wichtige Regel, dass man IMMER achtsam und umblickend sein muss, damit einen der Tiger nicht überrascht. Immerhin handelt es sich um Haie und nicht um Schmusekatzen.

Zu den Fütterungen. Da ist meine Meinung zwiegestalten. An sich ist jedes Eingreifen in die Natur nicht gut. Durch die Fütterung könnte sich das natürliche Jagdverhalten verändern, was wiederum einen Schaden im Bezug auf die Natur haben kann. Denn für eine ausgeglichenes Verhältnis in dem Meeren, ist es notwenig, dass Haie ihre Beute erlegen, damit es nicht zur Überpopultion von anderen Fischen kommt, die dann wiederum andere Fische und Pflanzen fressen, die letztendlich für den Erhalt der Meere notwenig sind. Es ist ein Teufelskreis. Daher ist das Fangen und Abschlachten von Haien auch so umweltschädigend, abgesehen davon, dass es auch moralisch einfach nicht vertretbar ist. Aber ich schweife ab, die Fischerei soll hier kein Thema sein. 

Angelockte Haie sind möglicherweise satt und müssen nicht mehr auf die Jagd gehen, so könnte man vermuten. Lenny, ein Unterwasserbiologe, der auf Fuvahmulah seine Masterarbeit über Tigerhaie schreibt, erzählt mir, dass es wohl auf den Bahamas schon eine Langzeitstudie darüber gebe, wie oder ob sich das Verhalten der Haie durch Fütterung verändert und tatsächlich gibt es wohl keine signifikanten Veränderungen. Und durch die Touristenattraktion „Tiger Zoo“ werden Haie auch mehr und mehr geschützt, was nicht so wäre, gebe es keine „Haitouristen“.

Jeden Tag aufs neue dürfen wir Taucher die Tiger unter Wasser beobachten. Und dabei bin ich sehr froh, länger diesem Spektakel beiwohnen zu dürfen, denn beim ersten mal bin ich natürlich super aufgeregt und weiß gar nicht, wo ich zu erst hinschauen soll. Mit den Tagen werde ich entspannter und kann somit das Unterwassertreiben mehr und mehr genießen. Dabei sind die Umgebungsbedingungen stets unterschiedlich. An einem Tag ist es so stürmisch und verregnet, dass die Sicht unter Wasser katastrophal ist. Wir wechseln also den Spot und die Haie tauchen einfach aus dem Sand vor einem auf. Das scheint gar nicht so ungefährlich zu sein, da Haie, wie eben schon erwähnt, gern ihre Beute überraschen. Aber nichts passiert. Ich würde sagen, Glück gehabt, aber das ist in dem Fall nicht korrekt, sondern wir hatten einfach kein Pech. An manchen Tagen kommen nur drei bis vier Haie, an manchen Tage sind es weitaus mehr als 15 Tiger, die umherschwirren. Es ist verrückt und ich bin im Paradies. So majestätisch und hübsch sind diese Tiere. Allein wie geschmeidig sie sich durch das Wasser bewegen. 

Spannend ist auch, dass viele Haie Namen haben. Lenny untersucht die Tigerhaie, fotografiert sie und erfasst ihre Größe mit einer bestimmten Lasertechnik. Ich habe die Zahl vergessen, aber es sind bisher weitaus mehr als 100 Haie registriert. Oder waren es über 200? Interessant ist auch der Fakt, dass Tigerhaie neben ihrem Maul eine bestimmte Musterung aufweisen, wodurch sie identifiziert werden können. Lenny kann uns also sagen, welcher Hai gerade bei der Fütterung zu gegen ist. Da einige Haie noch keine Namen, sondern nur eine Nummer haben, dürfen Taucher den Tigern Namen geben, wenn sie denn einen passenden Namen finden. Einem an mir vorbei schwimmenden Tigerhai gebe ich den Namen Luna. Es ist Vollmond und Luna heißt aus dem Spanischen übersetzt Luna.

Neben dem täglichen Tiger Zoo Besuch gibt es zwei weitere Tauchgänge am Riff. Mit Glück kann man Fuchs- und Hammerhaie sehen. Das geschieht zunächst nicht. Aber ich sehe Muränen, Schildkröten und jede Menge Anemonenfische. Jeder einzelne Tauchgang ist wundervoll. Ach wenn die Sicht nicht immer die Beste ist. Ich liebe es einfach unter Wasser zu sein. 

Und auch über Wasser hat Fuvahmulah einiges zu bieten. Im Norden der Insel gibt es einen hübschen Strand, der natürlich erkundet wird. Ich bin tatsächlich im Paradies gelandet. Ich kann es noch immer kaum fassen.

An meinem fünften Tauchtag geht es auf dem Boot recht stürmisch zu. Als wir von dem zweiten Tauchgang zurückkehren, ist mir so schlecht, dass ich mich übergeben muss. Bin ich etwa seekrank? Eigentlich passiert mir das eher selten, aber kann ja gut sein. Den dritten Tauchgang im Tiger Zoo ertrage ich nur mit ziemlichen Unwohlsein in Kombination mit Würgreflexen. Absagen wäre natürlich keine Option gewesen. Unter Wasser spucken möchte ich allerdings nicht. Ist gar nicht so einfach den Würgreflex zu unterdrücken. Ich komme aufs Boot und begebe mich in Windeseile aufs Klo. Denn restlichen Tag verbringe ich auf der Toilette und im Bett. Da sich die Situation auch nach dem Bootsaufenthalt nicht verbessert, sondern eher verschlechtert, ist mir auch schnell klar, dass es sich eher um eine Magenverstimmung oder um einen Magen Darm Virus handelt, als um Seekrankheit. Leider ist auch der Folgetag nicht besser. Dies soll mein letztre Tauchtag auf Fuvahmulah sein, der somit sprichwörtlich ins Wasser fällt. Ich bin doch schon etwas traurig, da ich den letzten Tauchtag gern genutzt hätte, wenn man denn schon mal auf den Malediven ist. Also versuche ich meinen Rückflug nach Male zu verschieben und glücklicherweise klappt das auch. Ich darf zwei Tage länger bleiben und kann nach zwei Betttagen den letzten Tauchtag nachholen. Und tatsächlich muss ich sagen, dass die Magenverstimmung notwenig war, um endlich Fuchs- und Hammerhaie zu sehen. Dieser Tag ist einfach nur perfekt. Beim ersten Tauchgang sehen wir nicht nur einzelne Hammerhaie, sondern gleich eine ganze Schule von Hammerhaien. Geschätzte 20 Hammhaie schwimmen unter uns entlang. Verrückt. Das ich so etwas mit eigenen Augen sehen darf. Mir kommen fast die Tränen, so gerührt bin ich. Und der Tag verläuft weiter so gut, denn beim zweiten Tauchgang sehe ich endlich einen Fuchshai. Zwar nicht sehr nah, aber dennoch deutlich an seiner langen Schwanzflosse zu erkennen. Und zum krönenden Abschluss gibt es noch einmal den Tiger Zoo. Fantastisch. 

Nach diesen hervorragenden Tagen auf Fuvahmulah ist es dann aber dennoch an der Zeit zu gehen. Zum Glück noch nicht ganz, denn das Süd Ari Atoll wartet auf mich. Hier soll es Manta Rochen und Walhaie geben. Darüber mehr in meinem nächsten Bericht.

Bis dahin

Besos